RP: Ein Action-Rennspiel sondergleichen,
ganz ohne Schießen oder Schleichen,
portiert auf allerlei Systeme,
gabs nicht nur Lob, sondern auch Häme.
Am PC ist es – so sagt man sich,
weder schlecht, noch fürchterlich.
Doch dreht man den 64‘er auf,
nimmt das Grauen seinen Lauf.
Was gut, was passt, und andrerseits
was nicht, was reizt, was führt zu Schmerz,
erfährt ihr jetzt – holt euch Kaffee,
Von mir und Buddy Yesterplay!
YP: Ein klassischer Retropixels, meine Damen und Herren! 🙂
Kommen wir vorerst wieder zur Prosa zurück und nutzen die, um ein paar Fakten zum Spiel zu nennen. “Hard Drivin’” von Atari erschien 1989 in den Spielhallen und konnte sich dort rühmen, erst das zweite Rennspiel (nach Namcos “Winning Run”) überhaupt zu sein, dass in kantiger, aber gefüllter Polygonoptik erstrahlte. Der Racer wollte ein echter “Driving Simulator” sein und bekam neben einem Upright-Cabinet auch ein ein entsprechend ausgestattetes Sit-Down-Deluxe-Cabinet, inkl. Lenkrad mit Force Feedback, 4-Gang-Schalthebel und 3 Pedalen spendiert.
Natürlich muss man darauf bei den zahlreichen Portierungen für Heimsysteme leider verzichten. Das Spiel erschien offiziell für Amiga, Amstrad CPC, Atari Lynx, Atari ST, Commodore 64, MS-DOS, Mega Drive/Genesis und den ZX Spectrum. Ein Prototyp einer NES-Version kursiert ebenfalls als ROM im Netz, diese Version wurde aber nie offiziell veröffentlicht.
Zwei der Heimumsetzungen schauen wir uns im folgenden an. Retropixels hat sich die Version für den C64 angeschaut, die 1989 exklusiv in den Budget-Compilations “Wheels Of Fire” und “TNT” von Domark erschien. Ich habe mich, surprise, surprise, der MS-DOS-Version von 1990 angenommen.
In beiden Versionen ist das Ziel des Spiel das gleiche. Zuerst gilt es auf dem “Speed Track” die gesetzte Bestzeit zu schlagen, wodurch man sich für ein Kopf-An-Kopf-Rennen auf dem “Stunt Track” qualifiziert. Gewinnt man dieses, ist man der neue Champion und setzt so seine eigene Bestzeit als neuen Maßstab für künftige Spieler oder sich selbst. Das klingt einfach, bedarf aber einiger Übung. Und starker Nerven. Warum? Lest es selbst:
Die Grafik – oder was davon übrig blieb
RP: Auch wer nun nicht gerade viel aufgrund der Hardwarelimitierung des C64 erwartet, wird bitterlich enttäuscht sein. Die Grafik ist in Brechreiz erregendem gelb und blau gehalten. Auch der sichtbare Horizont ist genauso beschränkt, wie der des Teams, welches für diese Portierung aus dem Pissoir pflegebedürftiger Puppenhausinnenausstatter verantwortlich ist. Vielleicht ist der Spielausschnitt auch so klein gehalten,um das Grauen etwas zu kaschieren. Die blaue Mauritius ein Werbeplakat, verglichen mit der wahnwitzig winzigen Windschutzscheibe. Ein Vergnügen der masochistischen Art ist die frustrierende Framerate, welche zwischen geschätzten 0,5 und 3 Frames variiert, was das Spielgeschehen ungefähr so flüssig wie einen Diamanten macht.
YP: Während die C64-Version optisch ganz nach dem Spectrum-ZX-Port kommt, bekommen PC-Automobilisten tatsächlich die schönste Variante spendiert. Diese kommt der Spielhalle nicht nur optisch sehr nahe, sie läuft auch relativ geschmeidig und flüssig. Und im Gegensatz zur wahrlich gruselig aussehenden C64-Version sind hier auch das Intro, das eine Übersicht der Strecke zeigt, sowie die Instant Replays nach einem Crash enthalten, die bereits in den Arcades sehr gut ankamen, waren sie zu diesem Zeitpunkt doch etwas recht neues.
Sound, Musik und sonstige Lärmbelästigung
Die Kuh auf dem Eis: Das Gameplay
RP: Das Gameplay ist – nicht vorhanden. Mir fehlen wirklich die Worte. Der Wagen droht bei der kleinsten Lenkbewegung unkontrollierbarer als die Blase eines 90-Jährigen zu werden. Die Ruckelei kombiniert dies munter mit nicht registrierten Eingaben. Ein Heidenspaß beim Gegenlenken, was aufgrund der offensichtlich vereisten Fahrbahn permanent notwendig ist. Setzt euch in ein Kanu in der Mitte einer Disco und versucht einmal präzise zu wenden, dann versteht ihr, was ich meine. Hard Drivin´ für den Commodore 64 simuliert einzigartig gut die Fahrt eines Parkinsonkranken mit Ganzkörper Tourette während eines schlechten Drogentrips – aber das war wohl nicht die Intention dieses Ports.
YP: Ich hatte mit der PC-Version anfangs auch so meine Probleme mit der Steuerung. Auch hier muss permanent gegengelenkt werden, das Auto richtet sich nicht von selbst nach vorne aus. Mit dem Joystick oder Controller will das so gar nicht gelingen, viel zu schwerfällig reagiert das Auto da auf Lenkbewegungen. Mit der Tastatur geht es schon etwas besser, eine Offenbarung ist es aber auch nicht. Einzig mit der Maus lässt sich das Vehikel recht zielsicher über die Piste manövrieren. Vermutlich ist die analoge Maussteuerung dem ebenfalls analogen Lenkrad der Originalversion am ähnlichsten und die Umsetzung auf digitale Joysticks und Tasten einfach weniger gut gelungen.
Unser Fazit
RP: Wer hat das OK für den Release gegeben? Welche Medikamente haben diese Person beeinflusst? Wie konnte man dieses Spiel so gegen die Wand fahren? Spielt es nicht. Wirklich. Ihr werdet nicht glücklich damit. Vernichtet alle bestehenden C64 Kopien, egal ob auf Tape oder Diskette! Solltet ihr doch in Versuchung kommen, sagt nicht ich habe euch nicht gewarnt, denn die C64 Portierung von Hard Drivin‘ wird euch noch im Schlaf verfolgen. Versucht euch lieber, die Fingernägel an einer Schultafel zu feilen, denn das schmerzt weniger als eine Runde Hard Drivin´ am C64. Oder spielt einfach den PC Port.
YP: Dazu gibt es eigentlich nichts mehr zu sagen, Retropixels trifft den Nagel auf den Kopf: Finger weg von der C64-Version, wenn ihr das Spiel unbedingt spielen wollt, nehmt die PC-Version, alles andere macht einfach keinen Spaß! Alternativ könnt ihr bestenfalls versuchen, ein Exemplar der “Midway Arcade Treasures 2” für PS2, Xbox oder Gamecube zu ergattern, die eine emulierte Version der Spielhallenversion enthält. Die Steuerung mit dem Gamepad ist zwar auch nicht optimal, dafür ist das Gesamtpaket insgesamt das beste.
Für damalige Verhältnisse mag das Spiel zumindest am PC nicht übel gewesen sein, heute fühle ich mich beinahe dazu veranlasst zu behaupten, dass das beste an “Hard Drivin’” der Einfluss ist, den es auf das Rennspiel-Genre genommen hat. Ohne dieses Spiel hätte es andere Klassiker wie “Test Drive” oder “4D Sports Driving” (aka “Stunts”) vielleicht nie oder nicht so gegeben.
Weil mein Freund auf der anderen Seite der Alpen wieder einmal so schön mit einem Reim eingeleitet hat, möchte ich heute zum Abschluss auch noch ein wenig Lyrik zum Besten geben, bevor wir Euch, wie immer, mit einem Video zum Spiel “beglücken”:
Mit eigenen Augen habt ihr es alle gelesen,
es ist ein Rennspiel mit viel Potenzial.
In der Spielhalle ist es am schönsten gewesen.
Zuhause hatte man die Qual der Wahl.
Am Brotkasten doch, leider muss man’s so sagen,
und das völlig ohne ein schlechtes Gewissen,
ist es wahrhaftig nicht gut zu ertragen.
Danke, lass mal, drauf geschissen!
Für den PC gefällt “Hard Drivin’” schon besser,
doch auch hier ist nicht alles ein einziger Spaß.
Der Sound schneidet ins Ohr wie ein rostiges Messer,
ohne Maus fährt man andauernd nur durchs Gras.
PC-Spielern hat man ein brauchbares Spiel aufgetischt,
keine brennenden Augen, nur blutende Ohren.
64er-Fans hat es viel schlimmer erwischt!
Dieses Spiel hat auf dem Brotkasten nichts verloren!
In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal! Eure reimenden Retro-Rennfahrer! 🙂
Ach ja: Wer noch mehr lustige Reviews, vornehmlich zu weiteren C64-Titeln lesen will, ist bei Retropixels bestens aufgehoben! Schaut doch mal bei ihm vorbei und hinterlasst vielleicht sogar mal einen Kommentar!