Als ich etwa 16 Jahre alt war, das war 1996, stand ich unheimlich auf Motorräder. Weniger wegen der kompetitiven Komponente, Motorrad-Rennsport interessierte mich per se eigentlich gar nicht, sondern vermutlich mehr wegen dem Flair der rohen, wilden Freiheit, den diese schnellen, röhrenden Maschinen inne hatten. Ganz besonders hatte es mir eine Marke und eine bestimmte Serie angetan: Die ein Jahr zuvor erstmals vorgestellte ZX-6R von Kawasaki, auch „Ninja“ genannt. Ein zweirädriger Traum in grün, weiß und blau!
Dummerweise war der Führerschein noch in gefühlt himmelweiter Ferne und auch der für die Anschaffung meines Traumbikes nötige Lottogewinn stand bestenfalls in den Sternen. Und so vertrieb ich mir die Wartezeit mit dem gelegentlichen Blättern in Motorradmagazinen, ein paar Aufnähern, die zwischen denen von „Type O Negative“ und „Sepultura“ auf der Bomberjacke einen Platz fanden, sowie der Suche nach einem scheinbar wie für mich gemachten Mega-Drive-Spiel: „Kawasaki Superbike Challenge“, bzw. „Kawasaki Superbikes“, wie es bei uns zumindest auf dem Cover betitelt wurde. Dieses zierte übrigens nicht mein Traum-Hobel, sondern eine ZXR 750R von 1993, aber zumindest die Richtung und die Farbe passte schon, da wollte ich mal nicht so sein.
Warum ich das Spiel suchen musste? Viele der kleineren Läden in unserer Gegend hatten Mitte der 90er den Bestand an Mega-Drive-Hard- und -Software schon weitestgehend aufgelöst, das Super Nintendo kam einfach deutlich besser an und parallel dazu rollten die neuen 32-Bit-Konsolen den Markt von hinten auf. Dazu kam der permanente Mangel an finanziellen Mitteln, man wollte ja schließlich auch noch ausgehen, rauchen und nebenbei auf den Führerschein sparen. Deswegen waren meine Bezugsquellen für Spiele damals primär Flohmärkte und gelegentliche Schnäppchen in größeren Kaufhäusern. Ein Spiel einfach zum Vollpreis bei einem Versandhändler zu bestellen kam definitiv nicht in Frage, das war nicht drin.
Tatsächlich sollte ich „Kawasaki Superbike Challenge“ nur ein einziges Mal in meinem Leben tatsächlich physikalisch in Händen halten. Und zwar auf einem Schulausflug, ich glaube nach Frankfurt. Dort fand ich das Spiel tatsächlich in einem Virgin Megastore, allerdings für den stolzen Preis von 109,99 DM! Wie gesagt, so viel konnte ich beim besten Willen nicht ausgeben, selbst wenn ich es gewollt hätte.
Und so kam es, dass ich das Spiel erst ein paar Jahre später zum ersten Mal spielen sollte. Und zwar im Emulator „Genecyst“, damals noch unter MS-DOS, auf dem PC. Zwar noch mit ein paar Grafikfehlern, aber selbst mit diesen sah das Spiel, für damalige Verhältnisse, in meinen Augen fantastisch aus! Denn abgesehen von den gegnerischen Fahrern auf ihren Motorrädern präsentierten sich die Rennen komplett in 3D-Polygongrafik! Und das völlig ohne jeden Zusatzchip wie Segas SVP oder Nintendos SuperFX! Und trotzdem lief das Spiel im Vergleich immer noch sehr flüssig und rasant genug, um echten Spielspaß aufkommen zu lassen! So richtig ging die Post dann ab, wenn man den Modus „1 Player Turbo“ auswählte: In diesem wurden die Sprites verkleinert und die Kameraperspektive etwas verändert, wodurch das Spiel noch schneller lief (Im Video ab 12:44 zu sehen)! Wahnsinn, so schnelle 3D-Grafik kannte ich damals nur vom PC!
Möglich machte diese Grafikpracht eine verbesserte Engine, die bereits zuvor in „F1“ auf dem Mega Drive bzw. dem fast identischen „Vroom“ (beide auch aus dem Hause Domark) auf dem PC, dem Atari ST und dem Amiga zum Einsatz kam. Entsprechend ähnlich spielte sich das Spiel auch: Das Spiel bot im wesentlichen zwei Modi, Training und Meisterschaft, die entweder alleine oder gemeinsam mit einem Freund gespielt werden konnten. Sie unterschieden sich eigentlich nur dadurch, dass in der Meisterschaft Punkte vergeben und gewertet wurden, im Training nicht. In beiden wurden die enthaltenen Strecken nacheinander abgefahren, jeweils eine Qualifikation mit 4 Runden und danach ein Rennen mit je nach Vorauswahl 5, 10 oder 15 Runden. Gerade die kurzen Rennen waren leider gar nicht immer so einfach, denn häufig erschwerte einem ein Wetterumschwung oder der leerer werdende Tank das Rennen, was häufig erst gegen Ende der 5 Runden geschah und einen so zu einem späten Boxenstop zwang, der eine noch erfolgreiche Aufholjagd quasi unmöglich machte.
Wer seine Meisterschaft nicht jedes mal nach dem Ausschalten der Konsole wieder von vorne beginnen wollte, musste sich damals sehr gewissenhaft das recht lange Passworts abschreiben, das zwischen den Rennen angezeigt wurde („Super Hang-On„lässt grüßen) und folgte hoffentlich nicht bloß dem Hinweis, es sich doch bitte zu merken! 😀 Eine Backupbatterie wäre hier echt schön gewesen. Musik kam generell nur spärlich vor, dafür wummerte der Bass hier aber richtig schön, allein dafür lohnte es sich schon das Spiel zumindest mal zu starten.
„Kawasaki Superbikes / Superbike Challenge“ kam auch für das Super Nintendo und den Game Gear heraus. Auf Nintendos 16-Bitter fiel ein Großteil der 3D-Polygone wieder zweidimensionalen Sprites zum Opfer, dafür lief das Spiel dort aber im Vollbild. Die Game-Gear-Version war, wegen der Kameraperspektive hinter dem Motorrad, den unterschiedlichen Modi und der Möglichkeit, das Motorrad aufzurüsten, eher ein „Super Hang-On“ in grün. Ich persönlich finde die Mega-Drive-Version eindeutig am besten, noch heute fasziniert mich die schneller und flüssige 3D-Grafik, die so kaum ein anderes 16-Bit-Spiel ohne Zusatzchip hinbekam!
Leider wurde keines der Spiele je wieder neu aufgesetzt, wegen der vermutlich längst abgelaufenen Kawasaki-Lizenz wird es wahrscheinlich auch nicht mehr dazu kommen. Glücklicherweise kostet das Spiel gebraucht nicht annähernd so viel wie viele andere 16-Bit-Spiele und so kann man, wenn man noch eine entsprechende Konsole besitzt, recht günstig in den Genuss des Spiels kommen.
Den Motorradführerschein sollte ich übrigens nie mehr machen. Als ich ihn damals endlich hätte machen dürfen, reichte das Ersparte fast auf die DM genau gerade so für den normalen Autoführerschein. Und so wich die Begeisterung für japanische Sportmotorräder bald der für mein deutsches Kompaktklassenfahrzeug (ein Golf 2 mit immerhin 90PS). Die für dieses Spiel ist aber bis heute nicht verschwunden, „Kawasaki Superbikes“ kann ich auch heute noch jedem wärmstens ans Herz legen, der ein gutes und grafisch beeindruckendes Rennspiel für den Mega Drive sucht!